Die kleine Kneipe heute im gemütlichen Keller. An der Theke sitzen Witwer Micha (Nikolaus Kühn) und der geschiedene Bruno (Ronny Thalmeyer). Die beiden trinken entspannt Bier, das von der selbstsicheren, empathischen und sympathischen Kneipenbesitzerin Hilde (Stella Maria Köb) gezapft wird. Da möchte man sich aus dem Publikum gerne dazusetzen, mitreden oder zuhören. Die Bardame versucht, Stimmung zu machen, zum Karaoke-Singen zu animieren und gibt eingangs direkt einen Song zum Besten. Den Text bekommt sie auf einem hellen Vorhang an der Wand serviert, welcher auch als Bildfläche für spätere Videoszenen und weitere Gesangseinlagen genutzt wird. Wiebke Schnapper (Video) und Belén Montoliú (Bühne und Kostüme) haben eine gelungene und einladende Bühnenatmosphäre geschaffen. Die Kostüme unterstreichen die Charaktere einzelner Figuren sehr gut. Insbesondere die sehr schicke Aufmachung von Daniel (Moritz Schulze), einem bekannten Filmstar aus dem Westen, der eigentlich nur kurz in der alten Ostkneipe den Text für ein wichtiges Casting lernen möchte. Er kennt Bruno nicht, wie sich herausstellt, obwohl beide im gleichen Haus wohnen. Auch den Namen der Kneipenbesitzerin weiß der Star Daniel nicht, anscheinend interessiert er sich kaum für sein Umfeld. Der Wendeverlierer Bruno setzt sich auf eine Eckbank im Gastraum, starrt den VIP an, spricht über einen Stasifilm aus dem Jahr 2005, wo Daniel eine Hauptrolle hatte und anscheinend keine Schauspieler*innen aus dem Osten vertreten waren. Man tauscht sich aus. Doch Bruno bring diesen großen Star im weiteren Verlauf aus der Fassung, erzählt ihm trocken und nicht zu bremsen sehr viele Details aus dessen echten Leben, denn Bruno kann durch seinen Job Zahlungsaktivitäten vom Daniel und seiner Ehefrau Clara (ebenfalls Stella Maria Köb) einsehen und nutzt in illegaler Weise diese Möglichkeit für sich. Außerdem kann Bruno aus seiner Wohnung gut das Geschehen in der Wohnung des Ehepaares verfolgen, da das Fenster gegenüber liegt und gut einsehbar ist. Diese Wohnung gehörte einmal dem Vater von Bruno und wurde ihm auf übelste Art durch einen Investor aus dem Westen abgeluchst. Nun erlebt der Schauspieler hautnah, was es heißt, beobachtet zu werden, wenn andere Menschen intime Informationen über jemanden sammeln, und welche Macht mit Wissen ausgeübt werden kann. Das Casting wird Nebensache, der Star verpasst seinen Flug, erfährt von Bruno, dass sein Sohn vom Kindermädchen geschlagen wurde und seine Ehefrau ihn betrügt. Aber auch die eigenen Sünden werden Daniel vor Augen geführt, indem Bruno ein Tablet mit brisantem Video samt intimen Chat mit einer käuflichen Dame an Daniels Ehefrau, der Ärztin Clara schickt. »Man glaubt, man hat ein schönes, geordnetes Leben. Und alles ist eine Lüge!« Diesen Satz hatte Bruno über sich geäußert und dieser Satz wird plötzlich auch für den erfolgreichen Filmschauspieler Daniel bittere Realität.
Eine sehr kurzweilige Aufführung mit vielen humoristischen Einlagen, die zum Schmunzeln einladen, nicht zuletzt trägt auch Micha dazu bei, der auch eine Gesangseinlage gibt und behauptet, dass die Bevölkerung alle 100 Jahre ausgetauscht wird. Wie recht er doch hat. Die Regisseurin Raphaela Möst hat den harten Einbruch im Leben der DDR Bürger*innen während und nach der Wende mit Daniel Kehlmanns Stück anschaulich gemacht und doch humorvoll verpackt. Viele wurden von Westbürger*innen sehr enttäuscht und übervorteilt, aber man sieht sich manchmal zweimal im Leben. Diese Aufführung zeigt, wie es dann kommen kann.