Theater einBLICK

03.10.2025

»Lügen ist das Fundament einer jeden Beziehung.«

Felicitas Klingler, Scharfer Blick / Kritiker*innenclub 1.10.2025
Der Videobeweis
Zum Stück

Mit diesem Satz versucht sich Jean-Marc im Stück »Der Videobeweis« von Sébastien Thiéry, vor seiner Frau Justine zu rechtfertigen, als sie ihn bei einer Lüge ertappt. Damit ist auch eigentlich schon alles gesagt: Es geht um eine Partnerschaft, die aus den Fugen geraten ist – und an der beide dennoch um jeden Preis festhalten wollen. Denn, so heißt es: »Der Sinn einer jeden Beziehung ist, dass sie einfach weitergeht.«

Thiéry zeichnet eine bitterböse Komödie, die sich klassisch steigert, bis auch die peinlichsten Wahrheiten ans Licht kommen. Die Dialoge sind gespickt mit überspitzten, absurden Argumenten. Sie verdeutlichen die Erklärungsnot des Paares für ihre Lügen und gipfeln schließlich in der dreisten Behauptung Jean-Marcs: »Bilder beweisen gar nichts.«

Judith Strößenreuter (Justine) und Volker Muthmann (Jean-Marc) glänzen in ihren Rollen. Sie kosten die Höhepunkte voll aus, treffen stets den richtigen Ton und untermalen das Gesagte mit feiner Gestik und Mimik. Muthmann scheut sich nicht, die Dreistigkeit seiner Figur radikal auszuspielen – zweimal greift er gar ungeniert zum Bierglas eines Zuschauers.

Auf große Inszenierung oder aufwendiges Bühnenbild verzichtet die Inszenierung bewusst. Ausstatter Johannes Frei setzt auf eine schlichte, kompakte Bühne – ein kluger Kontrast zu den Eskapaden des Paares. Zudem webt der Regisseur Jochen Strauch geschickt Filmsequenzen eines Popkonzertes ein, die Erinnerungen an die eigene Jugend wachrufen und das Publikum emotional mitschwingen lassen.

So wird »Der Videobeweis« zum Genuss: Ein Stück, das gnadenlos entlarvt, wie Menschen Verantwortung abwehren, Fehler schönreden und selbst die schönsten Erinnerungen instrumentalisieren. Die letzte Szene schließlich wirkt herrlich loriotesk und treibt den Beziehungswahnsinn nahtlos weiter.