Theater einBLICK

29.04.2024

Mit der Gabel lässt sich keine Suppe essen

Ingrid Rosine Floerke hat für den hauseigenen Kritiker*innenclub des Deutschen Theater Göttingen, der »Scharfe Blick«, die Premiere »Sonne / Luft« besucht.
Sonne / Luft
Zum Stück

Zum wiederholten Male traut sich das Deutsche Theater Göttingen ein Theatertext von Elfriede Jelinek zu inszenieren. Das darf man so sagen, weil die Arbeiten von Jelinek gerne mit Begriffen wie »wasserfallartige Monologe«, »Textkaskaden« oder »schwere Kost« verbunden werden. Das ist auch sicher die richtige Umschreibung eines künstlerischen Anspruchs in experimenteller Weise Sprache zu nutzen, um Wissenshorizonte aufzufalten, Zusammenhänge zu vernetzen und Ereignisse zu verknüpfen. An einem Theaterabend mit Werken von Elfriede Jelinek sollte man, um sich auf die vielen Spinnennetze der Gedanken einlassen zu können, hellwach und konzentriert bleiben. Es sind also niemals Abende, in denen man sich im Theatersessel wohlig und gemütlich berieseln lassen kann. Aber, wenn man gewappnet ist, die Suppe auszulöffeln, die verbal auf einen ausgeschüttet wird, dann geht man gewiss mit frischen Perspektiven der eigenen Gedanken nach Hause.
Aber, auch die Fragen, die sich das Deutsche Theater Göttingen für die Umsetzung der Texte von Elfriede Jelinek auf die Bühne beantworten musste, waren sicher nicht weniger herausfordernd als die Texte selbst. Der Regisseurin Sarah Kurze ist es dabei sehr erfolgreich gelungen Abwechslung ohne Überlagerung zu entwerfen. Sowohl das Bühnenbild (Janja Valjarević) als auch die Kostüme (Vanessa Vadineanu) haben eine kreative Klarheit, die das Gesprochene nicht in den Hintergrund rücken, sondern bildhaft unterstreichen. Die Leistung der Darstellenden, sich die eng zusammenhängenden Gedanken vielstimmig im Ping-Pong Prinzip zuzuspielen ist atemberaubend. Ebenso beeindruckend ist, wie sie alle gleichermaßen sicher wirken und während der gesamten fast zweistündigen Aufführung eine homogene Einheit als Akteure der Sonne und der Luft bilden. 29.4.2024

 

© Isabel Winarsch