Theater einBLICK

25.10.2024

Showtime – als Lebensmotto nicht empfehlenswert

Britta Keßler hat für den hauseigenen Kritiker*innenclub des Deutschen Theater Göttingen, der »Scharfe Blick«, die Premiere »Showtime (ein enttäuschender Abend)« besucht.
Showtime (ein enttäuschender Abend)
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Von laut zu leise, von überheblich zu nachdenklich, von energiegeladen zu niedergeschlagen – das ist die Bandbreite, die ein bestens aufgelegter Christoph Türkay als Universalschauspieler David dem Premieren-Publikum darbietet.

Universalschauspieler, erklärt David, sei ein neuer Beruf, den sogar das Arbeitsamt als Weiterbildung fördere. Dieses Angebot nahm er wahr, nachdem er auf der Schauspielschule dem unbeliebten Bühnenfach ›Betrüger‹ zugeordnet wurde. Er setzte sich als Ziel, bester Einspringer aller Zeiten zu werden und versteht sich nun als Notnagel, menschlicher Ersatzreifen, aber auch als Verkörperung des Mottos »Es gibt im Leben immer Rettung«.

Dies scheinen nur Plattitüden des ratlos daherkommenden David zu sein. Aber was soll er auch machen, nachdem er sehr kurzfristig für das gesamte ausgefallene Ensemble einspringen muss? Sich mit dem Publikum zu verbinden bietet sich da an. Der Einfachheit halber schlägt er vor, sich zu duzen, um dann zu paktieren (»Wir müssen die Situation gemeinsam durchleben.«) und zu versprechen (»Wir werden stärker hier rausgehen, als wir reingekommen sind.«). Was sich zunächst als übertriebene Anbiederung anhört, wird zum Ende der Aufführung erfüllt.

Denn der sich anfänglich als überheblich präsentierende David erzählt auf berührende Weise seine Lebensgeschichte. Kraftstrotzend und vor Ideen nur so sprudelnd verlebte David seine Kinder- und Jugendzeit. Bis die ersten Enttäuschungen durch Trennungen und geplatzte Träume Einzug auch in sein Leben hielten. Auf einmal stellte er sich und sein Leben infrage. Showtime wurde als Motto und Einstellung in seiner Familie gelebt. Diesen oberflächlichen Umgang mit dem Leben übernahm er. Erst durch einen tiefen Sturz in einen Breakdown, der ihn wochenlang nicht aus dem Bett kommen ließ, begann er zu erkennen und zu akzeptieren, dass das Leben nicht nur glanzvoll, spielerisch und leicht wie eine Showtime ist. Diesen Erfahrungsprozess stellt Christoph Türkay überzeugend dar.

Als David dann sein Publikum bittet, sich auf der Bühne um ihn zu gesellen, wird der Schulterschluss vollzogen und belohnt, indem David mit positiven Zuschreibungen nur so um sich wirft. Mittlerweile nimmt man ihm ab, dass er es so meint, wie er es sagt. Es gelingt ihm dadurch sogar, das Publikum vor dem Röhren-Fernseher, auf dessen Bildschirm der Songtext von John Lennons »Imagine« erscheint, zum Singen zu bringen.

Mit der Begründung, er müsse dringend zu einem weiteren Einspringen, geht David ab, nachdem er das Publikum gebeten hat zu applaudieren, aber nicht für ihn, sondern für sich selbst. Dadurch bringt er sich und gleichzeitig auch den wunderbar facettenreich spielenden Christoph Türkay um den verdienten, bestimmt euphorischen Schluss-Applaus.

Der Spielraum im dt.x Keller ist von der Regisseurin Sarah Kurze mit Show-Utensilien (glitzernder Faden-Vorhang, etliche Kostüme auf einer Garderobenstange) ausgestattet worden, und sie lässt ihn vom Protagonisten fast bis in den letzten Winkel nutzen. Mal verschwindet er in einer mit einem schwarzen Vorhang abgetrennten Kabine neben der Bühne, dann läuft er durch den außerhalb des Raums liegenden Flur und geht immer wieder ins Publikum.

An diesem von Enttäuschung weit entfernten Abend bereiten auch die Requisiten aus den 1980er-Jahren Freude, sei es der Kleinbild-Röhren-Fernseher, das nach Sendeschluss ausgestrahlte Testbild oder das beigefarbene Telefon mit Schnur, Hörer und Wähltastenfeld.

Eine insgesamt sehenswerte Aufführung – unterhaltsam und gleichzeitig zum Nachdenken anregend.