Cyranos Degen ist scharf und sein Regiment berüchtigt. Doch Cyrano hat noch ganz andere Waffen zur Hand. Niemand geht so gekonnt mit Worten und Reimen um wie er. Kein Wunder, dass ihm die Welt zu Füßen liegt, wenn er dichtet. Es könnte alles perfekt sein, wenn da nicht seine außergewöhnlich große Nase wäre, die er als Makel und hässlich empfindet. Eben diese hindert den ansonsten selbstbewussten Cyrano daran, Roxane seine Liebe zu gestehen. Roxane, extrem smart, emanzipiert und gleichermaßen schön, ist Cyrano zwar durchaus zugetan, hat aber ihr Herz an Christian verloren, der besonders handsome, aber weniger intelligent daherkommt und auch im Texten von Reimen noch großen Nachholbedarf hat. Als Roxane auf schriftliche Liebesbekundungen besteht, gerät Christian in die Bredouille und bittet Cyrano um Hilfe. So wird Cyrano zum amourösen Ghostwriter und flüstert Christian aus dem eigenen Herzen sprechend, die schönsten Worte ein. Doch was für den Moment Wirkung zeigt, kann auf Dauer nicht bestehen. Ein Krieg lässt die Welt aus den Fugen geraten und verändert alles.
Das dramatische Portrait des Dandys und Dichters Cyrano de Bergerac von Edmond Rostand ist berühmt und allseits bekannt. Martin Crimp hat ein modernes Äquivalent zum Versdrama des 19. Jahrhunderts gefunden und tauscht gedichtete Verse gegen Spoken Word und Hip-Hop Reime, die somit gleichermaßen poetisch wie politisch daherkommen. Die Neufassung des Klassikers ist nicht nur stilistisch modernisiert, sondern auch um zeitgenössische Debatten erweitert. Crimp gelingt dieser Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart mitreißend, kraftvoll und mit viel Humor. Auf einer Freilichtbühne, auf dem Parkdeck des Deutschen Theaters werden die Diskurse, Slams und Liebestragödien mit Worten und Degen ausgefochten.
Pressestimmen
Von einer großen Nase und der Macht der Worte »Das Parkdeck wird von allen Seiten bespielt, sodass das Publikum stets mitten im Geschehen ist. Sogar auf das Tageslicht ist die Aufführung abgestimmt: Mit einsetzender Dämmerung schlägt auch das Stück dunklere Töne an. Der gut orchestrierte Einsatz von Popmusik, Beleuchtung und Nebelmaschine ermöglicht manchen Szenen eine besonders ergreifende Wirkung. So gelingt dem Deutschen Theater Göttingen eine mitreißende Inszenierung mit viel Pomp, aber auch viel Substanz.«
Hanna Sellheim, Göttinger Tageblatt 19.6.2023
Der Mann mit der großen Nase »Kurzweiliges, aber dennoch anspruchsvolles Sommertheater zwischen Witz und Tiefe … Die Inszenierung löst den Konflikt zwischen Komödie und Tragödie bestens. Großen Anteil daran hat Gabriel von Berlepsch als Titelfigur. Wie er Cyrano zwischen tiefer Resignation und kühnem Kämpferherz, zwischen Wut und Würde auf die Bühne bringt, ist grandios. Lob auch für die komödiantisch gefärbten Kontraste dieser Inszenierung. Da trifft sich eine grelle Truppe schräger Vögel, um das Dichten zu lernen, dreht sich das Genderkarussell, weiten sich rasante Degen-Duelle auf zehn Minuten aus. Lang anhaltender Schlussapplaus.«
Steve Juberczyk-Stein, HNA 20.6.2023
Aktuelles aus dem 17. Jahrhundert »Ein humorvoller bis tragischer Abend im Deutschen Theater Göttingen: ›Cyrano de Bergerac‹ feiert am 17. Juni Premiere auf dem Parkdeck im Freien mit guter schauspielerischer Leistung, tollen Kostümen und viel Emotion … Gabriel von Berlepsch, dessen vergrößerte Nase hervorsticht, geht in der Rolle des Cyrano auf. Reimen und Fechten gleichzeitig scheint kein Problem für ihn zu sein. Auch Cyranos Liebeskummer stellt er eindringlich dar. Wie im Wahn dichtet er in gekrümmter Haltung mit Haaren vor dem Gesicht oder schreibt mit der Feder die Verse in die Luft. Und auch Nathalie Thiede schafft es, als Roxane ihre Emotionen explosionsartig darzustellen. Aber es gelingt ihr auch die liebevollen Gefühle, in einem ruhigen Duett, gesungen mit Daniel Mühe als Christian, zum Ausdruck zu bringen.«
Lena Heykes, litlog.de 23.6.2023
Die Quintessenz des Theaters – Das Beste zum Schluss »Besser kann das Ende der Spielzeit nicht sein und Annette Pullen ist der große Wurf gelungen. Mit einer furiosen Inszenierung verabschiedet sich das Deutsche Theater Göttingen in die Sommerpause.<br />
Es ist die Quintessenz des Theaters. Komik, Slapstick, Selbstironie, Zeitkritik, Liebe und andere große Gefühle und zum Schluss tiefe Verzweiflung. Diese Inszenierung zeigt alles, was am Theater so fasziniert … Annette Pullen und dem Team des Deutschen Theater Göttingen ist gelungen, in 100 Minuten alles das zu zeigen, was die Faszination der Bühne ausmacht. Es ist eine Inszenierung, die unter die Haut geht mit ihrer direkten Ansprache und mit den Verweisen über die Zeiten hinweg.«
Thomas Kügler, http://harzerkritiker.blogspot.com 28.6.2023
Wie ein Sommerregen … »Die Aufführung des ›Cyrano de Bergerac‹ unter dem Göttinger Abendhimmel ist wie ein längst überfälliger Sommerregen: Erfrischend, wohltuend und vitalisierend … Die Kraft der gesprochenen Worte mit Bezug auf aktuelle Themen und in oft ironischer Sprache führt zu einer überaus gelungenen Inszenierung, die alle Facetten einer guten Komödie vereint.
Greta Siuts, Scharfer Blick/Kritiker*innenclub 26.6.2023
Es lebe die Lyrik! »Die letzte Inszenierung der Spielzeit 2022/2023 ist wie ein knallbuntes Feuerwerk, das den Zuschauenden bei einem Abend unter freiem Himmel die gesamte Klaviatur einer emotionalen Farbpalette beschert. Mit der beeindruckenden Crew von Bühne (Iris Kraft), Kostüme (Katharina Weissenborn) und sogar einem Fechtchoreografen (Christian Ewald), zaubert die Regisseurin Annette Pullen ein Kaleidoskop an wechselnden Eindrücken … Sprache zeigt sich hier als die Essenz unseres Daseins. Übersetzer unserer Emotionen, aber auch ein Werkzeug, eine Waffe. Im Guten, wie im Schlechten. Diese verbale Komplexität wird spürbar übertragen vom Ensemble um Gabriel von Berlepsch als Cyrano … Die moderne Interpretation des Stoffes vom Dramatiker Martin Crimp greift zeitgenössische Lyrikformen auf und man hat seine wahre Freude an einem Cyrano de Bergerac des 21. Jahrhunderts, das mit Spoken Word, Slams, Hip-Hop und derben Sprüchen auch ein ganz junges Publikum begeistern kann.«
Ingrid Rosine Floerke, Scharfer Blick/Kritiker*innenclub 19.6.2023