Das Leben auf der Praça Roosevelt

Dea Loher
dt.1
Premiere 01. Februar 2020
Dauer 180 Minuten
Zur Autorin Dea Loher | Die 1964 in Traunstein geborene Autorin studierte Germanistik und Philosophie in München und szenisches Schreiben bei Heiner Müller und Yaak Kasunke. Schon ihr erstes Stück »Olgas Raum« sorgte 1991 für Aufsehen bei der Uraufführung. Ihr dramatisches OEuvre umfasst nahezu 20 Werke, die fast alle in das Repertoire des zeitgenössischen Theaters eingegangen sind. Dass Lohers Stücke in über 15 Sprachen übersetzt wurden, zeigt, wie groß auch das internationale Interesse an dieser Dramatikerin ist. Dea Loher erhielt zahlreiche Preise, hatte die Heiner-Müller-Gastprofessur für deutschsprachige Poetik inne und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Dea Loher ist Preisträgerin des Samuel Bogumił-Linde-Preis 2020.
Regie
Aureliusz Śmigiel

Musikalische Leitung
Torsten Knoll

Bühne
Jósef Halldórsson

Kostüme
Laura Yoro

Dramaturgie
Matthias Heid

»Das Leben auf der Praça Roosevelt« ist durch einen einjährigen Aufenthalt der Autorin in Brasilien inspiriert, während dessen sie sich auch in São Paulo aufhielt. Der dortige Praça Roosevelt ist ein dreieckiger baumbestandener Platz, dominiert von einer Kirche, umgrenzt von einer Schnellstraße und tristen Hochhäusern. Eines jener städtebaulichen Mahnmale, die vom Glauben an Wohlstand und Wachstum künden, aber längst zur Heimat der sozial Abgehängten geworden ist. Dea Loher hat dem Ort und seinen Bewohner*innen ein literarisches Denkmal gesetzt. Hier leben Menschen jeglichen Alters, Hausfrauen und Dealer, Sekretärinnen und Prostituierte, ein Revolverfabrikant und ein Polizist. Loher lässt sie in kurzen Episoden aufeinandertreffen, erzählt von ihrem alltäglichen Überlebenskampf, aber vor allem auch von ihren Träumen. Diese Träume, wie auch die Armut, sind längst kein Phänomen der Praça Roosevelt mehr, sie sind globalisiert. Doch auf dem Platz zählt die Geschichte eines jeden einzelnen, die ihn bedeutsam macht. Dea Loher portraitiert die Bewohner*innen des Platzes nicht als Opfer der Globalisierung, sie erzählt von der Würde, die ihrem Leben inne wohnt.

Das Leben auf der Praça Roosevelt

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Pressestimmen

Vom Leben betrogen »Abwechslungsreichtum ist angesagt: Während eine Drehbühne ausdrucksstarke Kulissen ins Blickfeld der Zuschauer*innen fährt, kämpfen die Figuren gegen die Trostlosigkeit an und klammern sich an jede noch so flüchtige Hoffnung. Dabei hat sich das Team um den Regisseur Aurelius Śmigel und den DT-Chefdramaturg Matthias Heid für direkte Ansprachen der Zuschauer*innen als besonders dominierendes dramatisches Mittel entschieden. Damit appelliert die Inszenierung einerseits emphatisch daran, sich in das Elend der Figuren hineinzufühlen. Andererseits gibt es Momente, die genau das untergraben … Das nahezulegen und gleichzeitig in der Schwebe zu halten, auf eindeutige Schuldzuweisungen zu verzichten und Moralinsäure eher sparsam einzusetzen, macht die Inszenierung zu einer besonders reizvollen.«
Stefan Walfort, Litlog 14.10.2020

Das Leben auf der Praça Roosevelt »Eine rundum hervorragende Leistung des Ensembles, die es ermöglicht diesen hässlichen und schiefen Ort als Symbolbild wirken zu lassen … Ein Stück, das bewegt, Emotionen fordert und zum Nachdenken anregt … Insgesamt ist mit ›Das Leben auf der Praça Roosevelt‹ eine hervorragende Inszenierung gelungen, die den langen Schlussapplaus verdient hat.«
Frederik Schulz-Greve, NDR 4.2.2020

Das kleine Welttheater von São Paulo »Ein Platz als Bühne des Lebens. Menschen auf der Suche. Eine gute Ensembleleistung … Zu Publikumslieblingen wurden Paul Wenning als Mirador und Gerd Zinck als Aurora. Aber auch Andrea Strube als zurückhaltende Sekretärin Concha, Judith Strößenreuter als mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehende Glücksbringerin Bingo, Angelika Fornell als Frau Mirador und Christoph Türkay als Fabrikant im unvermeidlichen Pullunder geben ihren Rollen individuelle Gestalt, sodass die Summe der Personen ein großes Ganzes ergibt … Viel Applaus für die Schauspieler.«
Johannes Mundry, HNA 3.2.2020

Umjubelte Vorstellung »Da sind Herr und Frau Mirador. Er (souverän bis hin zum bravourös beherrschten Brautkleid-Zungenbrecher: Paul Wenning) ist Polizist … seine Frau (stark: Angelika Fornell) näht Brautkleider. Der Waffenfabrikant Vito (korrekt: Christoph Türkay) … Seine Sekretärin Concha (facettenreich: Andrea Strube) hat nach der Trennung von ihrem Mann ein ausgesprochen herzliches Verhältnis mit dem alt gewordenen Transvestiten Aurora (vielschichtig und in Stockelschuhen hochelegant: Gerd Zinck) … Vito verliebt sich in die blonde Bingo (wieselflink: Judith Strößenreuter) … Diese Welt ist kaputt. Doch Regisseur Aureliusz Śmigiel stellt das überhaupt nicht plakativ auf die Bühne. Er gibt den Darstellern viel Gelegenheit, die Sehnsüchte, die Zweifel, auch die Stärken ihrer Figuren vorzuführen – und vor allem: deren Würde selbst in Augenblicken tiefster Erniedrigung zu bewahren. Dafür hat der aus Island stammende Bühnenbildner Jósef Halldórsson eine fantastische Drehbühnen-Szenerie entworfen … Die einfallsreich gestalteten Kostüme stammen von Laura Yoro, die Musik von Torsten Knoll: atmosphärisch dicht, vielfach an Spieldosen erinnernd … Auch das Absurde, Verrückte hat viel Platz in diesem Stück, etwa in der Figur von Transvestit Bibi (hinreißend: Ronny Thalmeyer) … in der doppelten Maria (mit beklemmender Atemlosigkeit: Marina Lara Poltmann) … oder in dem Mann mit Anzug, Koffer und Händy (Roman Majewski), eine verstörend komische Karikatur von Ausweglosigkeit. Nicht zu vergessen die beiden wunderbar krächzenden mit ihren vogeltypisch ruckartigen Kopfbewegungen.«
Michael Schäfer, Göttinger Tageblatt 3.2.2020

Der Mut der Verzweifelten »Es mag abgedroschen klingen, aber diese Aufführung geht unter die Haut … Wenning ist eine umfassende Charakterisierung geglückt … Auch Vitos Verzweiflung ist anfangs eine stille. Erst in der Sportbar-Szene dreht Christoph Türkay in dieser Rolle auf. Die rasanten Wechsel zwischen zu Tode betrübt und rasende Wut gelingen ihm wunderbar …. Das ist schon starker Tobak und Zinck bringt ihn emotionslos auf die Bühne. Dennoch schafft er es, einen Rest an Lebensfreude zu bewahren. Damit ist diese Figur ein kompletter Mensch. Die stärkste Leistung hinterlässt aber Andrea Strube in der Rolle der Concha. Als Vitos Sekretärin von der Arbeitslosigkeit bedroht und vom Krebs gezeichnet … Strube macht dies ohne große Gesten mit einer Selbstverständlichkeit, die berührt … Roman Majewski erzeugt wohl das größte Schweigen als der Mann mit dem Koffer. Dieser Koffer, ein Anzug und ein Handy sind sein ganzer Besitz und die letzten Insignien seiner einst bürgerlichen Existenz. Hektisch strampelnd wie ein Ertrinkender versucht er zurückzufinden in die Berufswelt … Aurelius Śmigiel hat eine Interpretation vorgelegt, die deswegen wirkt, weil sie nicht auf Emotion setzt, sondern auf Reduktion. Damit entbindet er die Handlungen und Szenen von Zeit und Ort und gibt eine analytische Ebene. Diese Kopfarbeit macht sie umso beeindruckender.«
Thomas Kügler, Harzerkritiker.blogspot.com 2.2.2020

Würdevoller Überlebenskampf »Jede einzelne Rolle, so absurd sie auch sein mag, wird von den Spielenden des Deutschen Theater Göttingen gefühlvoll umgesetzt und es herrscht dadurch eine homogene Atmosphäre auf der Bühne, die die prekäre Situation des Viertels beleuchtet, wo aber die Menschen in ihrer Verzweiflung eine Verbundenheit erfahren und trotz allem in Würde ihr Dasein fristen. Ohne Zweifel tragen dabei Concha (Andrea Strube) und Aurora (Gerd Zinck) besonders dazu bei, wie sie mit einer einfühlsamen Darstellung eine sehr ungleiche, aber dennoch liebevolle Freundschaft erlebbar werden lassen.<br /> Das Deutsche Theater Göttingen bietet uns wieder einmal ein Stück an, das zum ›zwischen den Zeilen lesen‹ anregt. Es geht in dieser Aufführung nicht um das Offensichtliche, sondern mehr um das Gefühl, das es in uns auslösen kann, wenn wir über unser und das Leben anderer nachdenken.«
Ingrid Rosine Floerke, Scharfer Blick/Kritikerclub 4.2.2020

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