Hedwig and the Angry Inch

Buch von John Cameron Mitchell Musik und Gesangstexte von Stephen Trask • Deutsch von Rüdiger Bering und Wolfgang Böhmer
dt.1
Premiere 28. Januar 2023
Dauer 110 Minuten
Der amerikanische Autor, Regisseur und Schauspieler John Cameron Mitchell verantwortet sowohl die Regie als auch das Buch für »Hedwig and the Angry Inch«. Er entwickelte die Figur Hedwig gemeinsam mit dem Komponisten Stephan Trask für Auftritte in einer Dragbar und spielte sie selbst in der Uraufführung sowie in der Verfilmung. Darüber hinaus wirkte er in weiteren Broadway-Produktionen wie »Der geheime Garten«, »Six Degrees of Separation« und »Big River« mit. John Cameron Mitchell produzierte zudem den prämierten Dokumentarfilm »Tarnation« (2004) von Jonathan Caouette. Sein Film »Rabbit Hole« (2010) bescherte Hauptdarstellerin Nicole Kidman eine Oscar-Nominierung als Beste Schauspielerin. Sein letzter Film »How to Talk to Girls at Parties« feierte Premiere bei den Filmfestspielen in Cannes 2017.
Dragqueen Hedwig kommt mit ihrer Band The Angry Inch nach Deutschland. Die Rückkehr in ihr Heimatland, das sie kurz vor der Wende verlassen hat, löst eine Vielzahl von Erinnerungen in ihr aus. Begleitet von Songs, die zwischen Glamrock und Grunge changieren, erzählt sie rückblickend von ihrem schillernden Leben und einer bewegten Vergangenheit.
Hedwigs Weg beginnt in Ostberlin. Als sie sich in einen amerikanischen GI verliebt, bietet sich ihr eine unverhoffte Fluchtmöglichkeit aus der DDR und der amerikanische Traum scheint zum Greifen nah zu sein. Doch das Glück in Übersee ist nur von kurzer Dauer. Die Beziehung scheitert und Hedwig muss sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten. Sie schöpft Hoffnung auf einen Neuanfang als sie den Musiker Tommy kennenlernt. Mit ihm erlebt sie eine intensive Liebe, die die beiden besonders musikalisch ausleben. Zusammen schreiben sie ein Album, das ein Erfolg zu werden verspricht. Doch auch diese Geschichte endet tragisch. Tommy verlässt Hedwig und wird mit der gemeinsamen Musik zum gefeierten Star Tommy Gnosis. Hedwig bleibt allein vor dem Nichts zurück. Doch sie gibt nicht auf und startet mit ihrer Band The Angry Inch eine eigene Tour.
Das preisgekrönte queere Kultmusical »Hedwig and the Angry Inch« erzählt die Geschichte über den Wandel eines Underdogs hin zu einem schillernden Rockstar. Zwischen Melancholie und dem Glitzer des Showbusiness ist die Geschichte von Hedwig eine, die von der Suche nach der eigenen Identität erzählt und dabei soziale Grenzen und gesellschaftliche Konstrukte von Geschlecht aufhebt.

Hedwig and the Angry Inch

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Pressestimmen

Sternstunde im Deutschen Theater Göttingen »Es war ein Triumph! Minutenlang klatschte das Publikum, viele im Stehen ... Vor allem ein Schauspieler und eine Schauspielerin tragen diesen Abend: Volker Muthmann und Tara Helena Weiß. Muthmann spielt Hedwig mit einer beeindruckenden emotionalen Bandbreite. Seine Hedwig ist ungeheuer verletzlich, aber auch sehr offen, dynamisch und kommunikativ … Sie ist die frivole Diva mit den wilden Perücken, den schrillen Kleidern und dem Leben, dass ihr immer wieder so übel mitspielt. Aber Hedwig ist eine Kämpferin. All das zeigt Muthmann ganz feinsinnig und immer wieder auch mit ganz großer Geste. Ein schillernder Star ... Weiß, eine junge Schauspielerin frisch von der Schauspielschule ... Weiß bleibt über weite Strecken im Hintergrund und ist doch immer präsent. Sie hat wunderschöne Szenen, und am Ende wird aus dem Entlein doch noch der Schwan … Astrid Klein hat die Kostüme entworfen, sie hat ordentlich geschwelgt. Die Band, in dieser Besetzung schon häufiger im Einsatz, agierte souverän und rockte die Bühne. Ins rechte Licht hat Michael Lebensieg diese Szenerie mit einem brillanten Beleuchtungskonzept gerückt. Für das Bühnenbild zeichnet Thomas Rump verantwortlich. Er hat ein Gebirge an Transportkisten gebaut, das immer wieder live von Bühnenarbeitern umgeschichtet wird. So kann es auch passieren, dass Hedwig plötzlich in einer Gebirgssackgasse landet und gerettet werden muss. Auch das eine wunderschöne Szene … Sarah Kurze übernahm die Regie … brachte die Inszenierung elegant und souverän auf die Bühne … Intendant Erich Sidler nannte diese Inszenierung unmittelbar nach der Premiere eine kleine Sternstunde – vielleicht ist es aber sogar eine große.«
Peter Krüger-Lenz, goettinger-tageblatt.de 29.1.2023

Musikalische Sternschnuppen von der Glamrock-Rampe »Umjubelte Premiere am Deutschen Theater Göttingen … Volker Muthmann ist als Dragqueen Hedwig ein Ereignis. Nicht nur, weil seine Gesangsstimme so charismatisch ist, eindringlich, schmelzig, sexy. Sie kann sensationell entrückt und glamourös nach David Bowie klingen (und das muss man erstmal schaffen), zart und intim, aber auch nach punkiger Verbalentladung ... Kostümbildnerin Astrid Klein hat aufgedonnerte Roben geschaffen, die genau das jeweilige Level an Intimität oder Bühnenzauber ausdrücken … Vier Musiker donnern lässig ihre Nummern in die Verstärker, es gibt zudem einige Songzitate von Lou Reeds ›Walk on the Wild Side‹ bis Janis Joplins Hippie-Hymne ›Mercedes Benz‹ - eines der betörenden Glanzlichter, die Tara Helena Weiß setzt ... Knallig-lauter Abend mit Tiefgang und tollen Darstellern/Sängern.«
Bettina Fraschke, HNA 30.1.2023

Laut, grotesk, schrill – und dann wird es still. »›Hedwig and the Angry Inch‹ ist ein lautes, glitzerndes Spektakel in dessen ruhigen Zwischenräumen der Schmerz zu hören ist, der sich als Sehnsucht nach Zuneigung an die Eltern, den kurzfristigen Ehemann, den Geliebten richtete. In diesen Zwischenräumen steht das Stück für mehr als eine glitzernde Show – in diesen stillen Räumen steht ein Mensch, der ein Gesicht von sich sucht, das er lieben kann.«
Katja Hellmys, Scharfer Blick/Kritiker*innenclub 5.2.2023

Besonders, weil nicht einzuordnen »Bei der Umsetzung des Buches ist Moritz Franz Beichl und Sarah Kurze eine äußerst unterhaltsame, aber gleichzeitig komplexe Inszenierung gelungen. Der ungewöhnliche Mix aus Theater, Dragqueen-Show, Lebensgeschichte und Konzert machen den Abend besonders und besonders spannungsreich. … Das gesamte Arrangement aus Rock’n’Roll, Punk Rock, Balladen und Country Elementen wirkt rund und die Angry Inch Band, unter Leitung von Michael Frei, fügt sich als Teil der Erzählung nahtlos ein. Das Bühnenbild mit den gestapelten großen Überseekoffern (Thomas Rump) deutet auf subtile Weise an, dass es auf eine erzählte Reise geht, und schillernde Lichter unterstreichen das glamourhafte der Geschichte … Tara Helena Weiß trägt einen wichtigen Anteil zum gelungenen Abend bei. Ihre Palette an Stimmungen sowie ihre Stimme sind beeindruckend. Hedwig geht von Anfang an sehr vertraut mit den Zuschauenden um ... Hedwigs Personifizierung hat Volker Muthmann vollends durchdrungen … Aber steckt hinter den wunderbar überladenden, bunten, provokanten Kostümen (Astrid Klein) nicht doch ein Mensch voller Verletzlichkeit? … ›Hedwig and the Angry Inch‹ ist pure Unterhaltung und kam am Premierenabend großartig beim Publikum an. Es bleibt zu wünschen, dass die Botschaft dessen, das von der Norm abweichende im Alltag anzunehmen, ebenso offenherzig aufgenommen wird.«
Ingrid Rosine Floerke, Scharfer Blick/Kritiker*innenclub 30.1.2023

Welch ein Mut, Mann »Großartig Muthmann selbst: Gerade, weil er sich in seiner Figur gefällt (ein Glück: wie fremdschambehaftet ist jeder Kerl in Kleidern, der sich bestenfalls der eigenen Körperlichkeit kaum bewusst ist beziehungsweise sich ihrer schlimmstenfalls schämt!), erweist er ihrer Tragikomik, ihrem bittersüßen Schicksal den größten Gefallen, changiert dabei gekonnt zwischen Stand-up, Punk-Attitüde und zerbrechlicher Intimität ... Alle gehen so selbstverständlich zur Sache und in ihren Rollen auf, fast könnte man hier und da auf die Idee kommen, sie wären tatsächlich just zum zigsten Mal aus dem Tourbus gestiegen und hätten neben Instrumenten und Equipment ihre tagesaktuellen menschlichen Unzulänglichkeiten und zwischenmenschlichen Konflikte im Gepäck ... Im Finale des Abends, offenbart Weiß noch einmal dessen ganze Doppelbödigkeit: Sie ist eine Frau, die einen Mann spielt, der als Dragqueen eine Frau darstellt; tatsächlich aber ist sie in diesem Moment (buchstäblich) bei sich selbst, weil sie (bildlich) ungeschminkt aus der Maske kommt ... Rolf Denecke (Bass), Hans Kaul (Klavier), Sven von Samson (Schlagzeug) unter der Leitung von Michael Frei (Gitarre) geben die gut abgehangene Rocker-Riege, die das tut, was sie am besten kann: Mukken ohne Wimpernzucken ... Mut, Mann!«
Jan Hendrik Buchholz, kulturfeder.de 5.2.2023

Ein Fest der Gefühle »›Hedwig and the Angry Inch‹ zelebriert den Mut, den es braucht, um den eigenen Weg zu finden, sei er noch so holprig … Durch das Bühnenbild von Thomas Rump wird das Stück auf eine persönliche Ebene gebracht, bergen die vielen Koffer doch Gegenstände, die bei einem Leben auf Tour – einem ständigen Weg ohne längeren Aufenthaltsort – nicht fehlen dürfen. Die Zuschauer*innen kommen mit diesem Theaterbesuch in den Genuss von verschiedenen Kulturveranstaltungen: ein gelungenes Konzert mit den Liedern von Stephen Trask, die in ihren Genres abwechslungsreich sind, unter der musikalischen Leitung von Michael Frei und ein unterhaltsames, aber auch zum Nachdenken anregendes Theaterstück ... Hedwig, gespielt von Volker Muthmann, zieht alle in ihren Bann, trotz oder gerade wegen ihrer selbstdarstellerischen, liebenswert neckenden Art, die sie auszeichnet. Muthmann schlüpft mit einer Leichtigkeit in diese Rolle – so improvisiert er, interagiert er mit dem Publikum und ist kurz gesagt einfach überzeugend, so dass man fast vergisst, dass es nicht wirklich Hedwig ist, die auf der Bühne steht. Auch seine Kollegin, Tara Helena Weiß, die Hedwigs Ehemann Yitzhak spielt, begeistert, nicht zuletzt mit einer beneidenswerten Kontrolle über ihre Stimme – ihre Figur bleibt gerade deswegen immerzu im Hintergrund und kämpft damit. Tara Helena Weiß drückt die Frustration ihrer Rolle sehr glaubhaft aus und macht deutlich, dass auch wenn Yitzhaks Geschichte von Hedwig überschattet wird, sie genauso wichtig ist … Es wird klar, dass das Stück sehr viel mehr Tragik birgt, als es auf den ersten Blick, durch die großartigen Kostüme von Astrid Klein, zu scheinen mag. Dennoch kippt die Stimmung nicht – im Gegenteil: es ist ein Fest der Gefühle, das ein bestärkendes Gefühl vermittelt: man muss sich selbst treu bleiben, um glücklich zu sein.«
Marita Koenig, Scharfer Blick/Kritiker*innenclub 14.2.2023

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