Das Ehepaar Otto und Anna Quangel sind eher unauffällige Menschen, die in einem unauffälligen Wohnhaus in Berlin Prenzlauer Berg wohnen und die sich nicht für Politik interessieren – Hitler haben sie gewählt, weil es eben alle gemacht haben. Doch der Tod ihres einzigen Sohnes an der Front bringt ihre Welt ins Wanken. Aufgerüttelt von der Realität des Krieges, der nun ihren ganz privaten Kosmos berührt, wächst der innere Widerstand des Paares gegen das Regime und sie greifen zu außergewöhnlichen Mitteln: Sie schreiben und verteilen Postkarten, auf denen Botschaften des Widerstandes geschrieben stehen. Dieses Zeichen gegen das System ruft den Obergruppenführer Prall auf den Plan, der Kommissar Escherich auf den Fall ansetzt und schnelle Aufklärung einfordert. Es folgen Denunziationen, Diebstähle und Betrug, die die Hausgemeinschaft der Quangels zerstören und schließlich zu mehreren Todesfällen führen … »Jeder stirbt für sich allein« basiert auf einer wahren Begebenheit im Berlin der 1940er-Jahre und entwickelt aus der dichten Beschreibung einer Hausgemeinschaft ein entlarvendes Gesellschaftspanorama, das die Frage danach stellt, wie weit der eigene Mut reicht, sich gegen Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit zu stellen.
Pressestimmen
»Beide wachsen inmitten von Denunziation und Verrat zusammen, wollen leben. Wunderbar sichtbar im drehbar gelagerten Glashaus mit der heimeligen und bei aller Demontage unzerstörbaren Wohnküche. (...) Lange Beifall für ein Stück, das leise und heftig einschlägt.«
Andreas Erdmann, HNA 8.9.2025
»Sehr komprimiert hat Mathias Spaan diese Geschichte des Jedermanns, der kleinen Leute inszeniert. 105 Minuten braucht es, um dieses Grauen zu schildern, das diese Menschen umgibt, dass sie erfasst und hilflos macht. Die meisten machen mit, viele aus Überzeugung, andere aus Angst. Und niemand kann dem Wahnsinn entkommen. Und genau das vermittelt die Inszenierung und das Spiel des Ensembles.«
Peter Krüger-Lenz, Göttinger Tageblatt 8.9.2025
»Einmal mehr gelingt einer Inszenierung des Deutsches Theater Göttingen auch der Spagat zwischen Nachvollziehbarkeit und künstlerischem Anspruch: (...) Auf diese Weise gelingt das ganz große Kunststück, dass vom Publikum Aufmerksamkeit gefordert ist, es aber auch zugleich stark mitfühlen kann, ja quasi muss: Die eigene Position zu finden in der Frage »Was würde ich tun in einem Unrechtsregime?«, (...) Vom nachdenklichen Beginn, der sprachlose Trauer gelungen inszeniert, bis zum hoch emotionalen Schluss befindet sich das Publikum in einem Strudel aus Beobachtungen, Gefühlen und starken Sinneseindrücken – innerliche Entlastung gibt es hier nicht.«
Marcel Lorenz, unddasleben.wordpress.com 10.9.2025
»Die Beschallung ist sparsam gesetzt. Spaan verzichtet auf einen Soundtrack zum Grauen. Das ermöglicht es dem Publikum, sich auf den Text zu konzentrieren. Das muss man auch, denn im gesprochenen Wort finden sich die rasanten Wendungen wieder, die die meisten der Figuren auf der Bühne nehmen. Der Text verdeutlicht, wie sehr eine Diktatur die Menschen deformiert. Die sind nämlich schon vor dem Sterben jeder für sich allein und wollen doch nur überleben.«
Thomas Kügler, HarzerKritiker 11.9.2025
»Die Darsteller*innen zeigen dem Publikum in eindrucksvoller Weise, wie Mitläufer*innen sein können, wie falsch einige Personen sind, dass Misstrauen oft angebracht und Widerstand nie erfolglos ist. Es erregt Aufsehen, dass die Wahrheit auf Zetteln zu lesen ist und, wenn auch durch Angst und Schrecken, Mitbürger*innen zum Umdenken aufgerüttelt werden. Diese Aufführung zeigt, wie wichtig es ist, für seine eigenen Überzeugungen einzutreten, es ruft zu menschlicher Solidarität auf und ist absolut sehenswert.«
Andreas Arnemann, Scharfer Blick/Kritiker*innenclub 12.9.25
»Wie kann man in einem totalitären System Zivilcourage zeigen, wie kann die Würde des Gegenübers gewahrt sein und was macht ein solches System mit dem Einzelnen, unabhängig davon, ob er sich dagegenstellt oder an ihm mitwirkt? Das Ensemble antwortet auf diese Fragen intensiv und bedrückend: Sei es Leonard Wilhelm, der den Obergruppenführer Prall mit zynischer Brutalität verkörpert, sei es Marco Matthes, dessen Spiel seinem Otto Quangel eine Form von zurückhaltender Würde und Unbeirrbarkeit verleiht, die selbst dem Antagonisten, Kommissar Escherich schlussendlich zerbrechen lässt. Letzterer wiederum wird von Daniel Mühe grandios auf die Bühne gebracht.«
Jan Thomas Ochershausen, Charakter Magazin, Herbst 2025
»In dieser Inszenierung wird zum einen deutlich, wie trotz Ohnmacht, Wut und Verzweiflung in einem diktatorischen System die eigene (Macht-) Möglichkeit für ein soziales und menschliches Engagement besteht und umgesetzt wird. Zum andern erreicht die überzeugende Darstellung von Sozialkritik, Gesellschaftsproblematik und Politik – durch die Intensität der Sprache noch verstärkt – das Publikum und lässt es nicht los.«
Hedda Rienäcker, Scharfer Blick / Kritiker*innenclub 23.9.2025